Der Name der Rose
Als wir den steilen Pfad erklommen, der sich die Hänge
hinaufwand, sah ich zum erstenmal die Abtei. Nicht ihre Mauern
überraschten mich, sie glichen den anderen, die ich allerorten
in der christlichen Welt gesehen, sondern die Massigkeit dessen,
was sich später als das Aedificium herausstellen sollte. Es
war ein achteckiger Bau, der aus der Ferne zunächst wie ein
Viereck aussah.
...
Beim Näherkommen sahen wir dann, daß aus der
quadratischen Grundform an jeder ihrer vier Ecken ein siebeneckiger
Turm hervorsprang, der jeweils fünf Seiten nach außen
kehrte, so daß mithin vier der acht Seiten des
größeren Achtecks in vier kleinere Siebenecke
mündeten, die sich nach außen als Fünfecke
darstellten. Niemandem wird die herrliche Eintracht so vieler
heiliger Zahlen entgehen, deren jede einen erhabenen geistigen Sinn
offenbart: acht die Zahl der Vollendung jedes Vierecks, vier die
der Evangelien, fünf die der Weltzonen, sieben die der Gaben
des Heiligen Geistes.
Umberto Eco, Der Name der Rose, München 1982,
S.31/32
...
»Zweifellos eine Geheimschrift, die wir entziffern
müssen«, sagte er. »Die Zeichen sind schlecht
gemalt, und vielleicht hast du sie in deiner Kopie noch mehr
verzerrt, aber es handelt sich fraglos um ein Alphabet aus
Tierkreiszeichen.«
Umberto Eco, Der Name der Rose, München 1982,
S.210
»Ja, und der Schlüssel war ziemlich leicht zu finden.
Venantius hatte die zwölf Tierkreiszeichen genommen, dazu die
acht Zeichen der fünf Planeten, der beiden Himmelsleuchten und
der Erde. Insgesamt also zwanzig Zeichen – genug, um ihnen
die Buchstaben des lateinischen Alphabets zuzuordnen, wenn man
davon ausgeht, daß ein und derselbe Buchstabe für die
Anfangslaute der Wörter unum und velut stehen kann.
Die Reihenfolge der Buchstaben ist bekannt. In welcher Reihenfolge
konnten die Zeichen geordnet sein? Ich versuchte es mit der Ordnung
der Himmelsgewölbe, indem ich den Zodiakus an die
äußere Peripherie setzte. Also Erde, Mond, Merkur,
Venus, Sonne und so weiter, danach die Tierkreiszeichen in ihrer
traditionellen Abfolge, wie sie auch Isidor von Sevilla
klassifiziert hat, vom Widder und der Frühlingssonnwende bis
zu den Fischen. Und nun schau mal, wenn man diesen Schlüssel
anwendet, ergibt Venantius' Geheimbotschaft tatsächlich einen
Sinn.«
Umberto Eco, Der Name der Rose, München 1982,
S.265/266
...
»Versuch doch einmal, den Grundriß der Bibliothek zu
zeichnen. Du wirst sehen, daß es bei jedem Turm zwei
Räume geben muß, die einerseits an den siebeneckigen
Innenraum angrenzen und andererseits an zwei Räume mit
Fenstern zum Achteck...«
Ich versuchte es, entwarf den Grundriß nach den Angaben
meines Meisters und stieß einen Freudenschrei aus.
»Jetzt wissen wir alles! Laßt mich einmal zählen .
. . Ja, die Bibliothek hat sechsundfünfzig Räume, vier
siebeneckige und zweiundfünfzig mehr oder minder quadratische,
von denen acht fensterlos sind, während achtundzwanzig nach
außen gehen und sechzehn nach innen!«
»Und die vier Ecktürme haben jeder fünf Räume
mit vier Wänden und einen mit sieben . . . Die ganze Anlage
folgt einer himmlischen Harmonie, der sich vielerlei tiefe und
wundersame Bedeutungen zuordnen lassen...«
Umberto Eco, Der Name der Rose, München 1982,
S.277
»... Jeder Durchgang ist mit einem Buchstaben des Alphabets
markiert, und alle zusammen ergeben zweifellos einen Sinn, den wir
herausfinden müssen!«
»Aber wo fängt der Text an?«
»Bei einer Inschrift, die etwas größer ist als die
anderen, bei einer Inschrift im siebeneckigen Raum mit der Treppe .
. . oder vielleicht . . . ja natürlich: bei den roten
Inschriften!«
»Aber davon gibt es viele.«
»Also gibt es mehrere Texte oder einen Text mit vielen
Wörtern.
...«
Umberto Eco, Der Name der Rose, München 1982,
S.279
Die zitierten Textstellen reichen aus, um das Rätsel zu
lösen.
Es ist nicht notwendig, das Buch zu lesen, es lohnt sich aber
allemal.
SOLUTIO PROBATE!
Viel Spaß!
Ein dickes Dankschön für das Testen des Rätsels an
erwinlottemann und Fils1!